Redebeitrag zur Haushaltssatzung 2021 und Investitionsprogramm 2020 bis 2024

27.02.2021

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

lassen Sie mich mit dem Dank an die Verwaltung beginnen. Wiederum war ein sehr umfangreiches Zahlenwerk zu erstellen, dem in diesem Jahr ein Haushaltssicherungskonzept angefügt werden musste. Insbesondere beim Vorbericht und im Wirtschaftsplan der Stadtwerke fallen die verbesserten graphischen Darstellungen sofort ins Auge. Nochmals danke an alle, die bei der
Aufstellung des städtischen Produkthaushalts und der beiden Wirtschaftspläne mitgewirkt haben.


Ein schweres und unangenehmes Jahr 2020 liegt hinter uns und ein neues Jahr 2021 voller Ungewissheiten noch zum großen Teil vor uns. Das Corona-Virus hat eine Pandemie ausgelöst, die viel menschliches Leid bringt. Sie schlägt bis in den kleinsten Winkel durch und hinterlässt auch im städtischen Haushalt ihre Spuren: Das Defizit von rund 1,5 Millionen Euro im Ergebnishaushalt erlaubt nur einen Haushaltsausgleich zweiter Klasse. Hierzu gesellt sich noch im Finanzhaushalt ein Zahlungsmittelfehlbedarf in Höhe von ca. 4,4 Millionen Euro.


Das Jahr 2020 hielt auch in einer anderen Hinsicht für unsere Stadt keine gute Botschaft bereit: Im neuen Landesentwicklungsplan Hessen 2020 wird Stadtallendorf als „Mittelzentrum in Kooperation im ländlichen Raum“ eingestuft und somit zu einem Mittelzentrum dritter Klasse degradiert. Offensichtlich klaffen unser Selbstbild und das in Wiesbaden von uns existierende Fremdbild weit auseinander. Das lässt einen ins Grübeln und Hinterfragen kommen, was unsere Stadt aufzuweisen hat und worin sie besser werden müsste. Deshalb steht meine diesjährige Haushaltsrede bezogen auf Stadtallendorf unter dem Thema:


Potenziale besitzen - Potenziale nutzen.


Für die erste Fragestellung erweist sich eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung als sehr hilfreich. Sie erfasst alle deutschen Kommunen über 5.000 Einwohner und ihre Zahlenangaben aus 2018 können als aktuell angesehen werden.

Lassen Sie mich, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, daraus einige zentrale Daten für Stadtallendorf referieren:

- Der Wanderungssaldo beträgt + 10,6 je 1.000 Einwohner.

- Unsere Bevölkerung ist mit 42,8 Jahren 2,7 Jahre jünger als die deutsche Gesellschaft insgesamt.

- Die Arbeitsplatzzentralität hat den Wert 1,7, der genauso hoch wie bei den Oberzentren Marburg und Gießen ist.

- Dazu passt, dass der Pendlersaldo „Einpendler minus Auspendler“ an unserer Bevölkerung + 46,2 % beträgt.

- Die Arbeitsplatzentwicklung von 2013 bis 2018 zeigt eine Zunahme von 16,3 % und liegt damit 4,9 % über dem bundesweiten Medianwert.

- Und schließlich liegen die Steuereinnahmen mit 2.276 €/Einwohner fast genau 500 € höher als bei der mittleren deutschen Kommune über 5.000 Einwohner.


Die Autoren der Studie zählen Stadtallendorf zum Demographie-Typ „Städte mit sozioökonomischen Herausforderungen“. Deutschlandweit gehören 180 Kommunen mit insgesamt 9,4 Millionen Einwohnern dazu, darunter 29 kreisfreie Städte. Die meisten von ihnen liegen in NRW, z.B. Duisburg, Hagen und Solingen. Auch Hessen ist zum Beispiel mit Limburg, Fulda und Bad Hersfeld vertreten. Folgendes Zitat aus der Studie fasst die Zuordnung Stadtallendorfs prägnant zusammen: „Die Städte dieses Typs befinden sich aufgrund ihrer demographischen Entwicklung in einer guten Ausgangslage, doch hohe Sozialausgaben und eine eher unterdurchschnittliche Kaufkraft müssen bei den Potenzialen stets berücksichtigt bleiben.“


Ich habe diese Studie deshalb so ausführlich dargestellt, weil sie von außen einen absolut neutralen Blick auf unsere Stadt wirft. Reizvoll erscheint mir ein Abgleichen der Kernaussagen mit den Daten aus dem Vorbericht des Haushalts:

- Das kleine Tief in der Bevölkerungsentwicklung zu Beginn der 2010er Jahre ist überwunden, seit 2016 zählt Stadtallendorf auf konstantem Niveau rund 21.400 Einwohner.

- Die Anzahl der Kinder und Jugendlichen bleibt im Zeitraum von 2010 bis 2019 nahezu gleich.

- Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort stieg von 2015 bis 2019 kontinuierlich auf knapp 15.500.

- Das Gesamtsteueraufkommen in 2021 beträgt rund 52,7 Millionen Euro; das sind tatsächlich etwa 2.460 € je Einwohner. Davon verbleiben jedoch nur ca. 24,3 Millionen €, also etwas über 46 %, in unserer Kasse.

- Die Liquidität erreichte im November 2020 mit rund 17,9 Millionen € einen Höchststand. Mit einem geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln zum Ende des Haushaltsjahres 2021 von ca. 9,6 Millionen € kann die Vorgabe der Liquiditätsreserve mühelos erfüllt werden. 

- Die Investitionskredite des städtischen Haushalts sinken seit 2010 kontinuierlich auf 6,34 Millionen € in 2021.

All diese Fakten konkretisieren und bestätigen den Blick von außen. Nicht zufällig gehören wir in Hessen zu den 5 % abundanten Kommunen. Optimistisch stimmt weiterhin, dass unsere großen Unternehmen offensichtlich bisher gut durch die Corona-Krise gekommen sind. Und schließlich knüpfen wir große Erwartungen an den Lückenschluss der A 49 im Jahr 2024 und an den gleichzeitigen Ausbau der B 454.

Die erste Hälfte meiner Rede kann ich folglich mit dem Fazit beschließen:

Ja, die Stadt Stadtallendorf verfügt über große Potenziale.

Diese Erkenntnis setzt alle, die hier in Politik und Verwaltung Verantwortung tragen, der Frage aus:
Wie gut nutzen wir unsere Potenziale?

- Über 10 Millionen € flossen in die Sanierung des Hallenbades. Fast die gleiche Summe ist für das Feuerwehrgerätehaus in der Kernstadt vorgesehen. Sowohl Erksdorf als auch Hatzbach erhielten ein eigenes neues Feuerwehrgerätehaus. Für die grundhafte Sanierung des Herrenwaldstadions beträgt der diesjährige Ansatz 1 Million €, womit bisher zusammen 3,9 Millionen € des Gesamtvolumens von 4,8 Millionen € bereitgestellt worden sind. Die Unterhaltung der Stadthalle sowie der von DuI verwalteten Immobilien verschlingt Jahr für Jahr viel Geld. In unsere Kitas investieren wir über 2 Millionen € an Baukosten und wir weiten vor allem für die Kinderbetreuung unseren Stellenplan deutlich aus.

- Als eigenen Punkt möchte ich das Projekt „Soziale Stadt“ anführen. Nach dem großen Erfolg des ersten Projekts gelang es den Verantwortlichen, dass Stadtallendorf bei der Neuauflage erneut

aufgenommen worden ist und somit wiederum erhebliche Fördersummen des Landes in unsere Kernstadt fließen, um die Lebensqualität zu erhöhen.

- Unsere Einwohner profitieren weiterhin von günstigen Wasser- und Abwasserpreisen. Und auch die Friedhofsgebühren sind nicht zu hoch.

- Die Vereinsförderung wurde noch weiter verbessert. Und nach wie vor gelten die städtische Jugendarbeit und Seniorenarbeit als vorbildlich.

- Das Wohngebiet „Am Dannenroder Weg“ in Niederklein steht kurz vor der Bebauung. Der Flächenankauf für das Baugebiet „Feldwiesen II“ in Schweinsberg ist seit über einem Jahr abgeschlossen. Für alle anderen Stadtteile und die Kernstadt in den Bereichen „Hofwiese“ und „Hinter Sankt Michael“ sind Planungen im Gange.

- Eine weitreichende Entscheidung zugunsten der Hauseigentümer stellt die Abschaffung der Straßenbeiträge für Erneuerungsmaßnahmen dar.

- Neue Gewerbegebiete im Umfeld der beiden vorgesehenen Autobahnausfahrten können mittelfristig erschlossen werden.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

das alles hört sich ja sehr rosig an. Vergessen wir allerdings bitte nicht, welche Herausforderungen in den nächsten Jahren zu meistern sind (ohne Priorisierung durchnummeriert und sicher unvollständig):

1. Die Reduzierung der Zahl städtischer Immobilien ist bisher überhaupt nicht gelungen. Das Postgebäude bietet sich aktuell am ehesten für einen Verkauf an. Hoffentlich wird der vorgeschaltete Wettbewerb, an dem sowohl potenzielle Investoren als auch Architekten einbezogen werden sollen, zum Erfolg führen.

2. Bis jetzt ist keinerlei Fortschritt hinsichtlich des 3. Bauabschnitts der B 454 zu verzeichnen. In Folge dessen sind in den nächsten Jahren stark belastende Einschränkungen des Straßenverkehrs durch die gleichzeitigen Arbeiten für die B 454 und die A 49 zu erwarten.

3. Für die Querspange zwischen der Niederkleiner Straße und dem Rohrborn gilt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Sie darf nicht einem Begräbnis erster Klasse zugeführt werden.

4. Die alten Dorfkerne verfallen weiter – auch wegen eines überzogenen Denkmalschutzes. Neuer Wohnraum entsteht insgesamt nicht schnell genug. So darf aktuell das Baugebiet „Feldwiesen II“ in Schweinsberg nicht erschlossen werden, weil es bis zum heutigen Tag nicht gelungen ist, die untere Naturschutzbehörde zufrieden zu stellen.

5. Vier von fünf Ortsvorstehern hören im März 2021 auf. Unsere Ortsvorsteher leisten eine wichtige und lobenswerte Arbeit, die ihnen nicht immer gedankt wird und manchmal auch mit Frustrationen verbunden ist. Erfreulicherweise gibt es bei den anstehenden Wahlen in allen Stadtteilen zahlreiche Bewerberinnen und Bewerber für einen Sitz im jeweiligen Ortsbeirat. Es ist sehr zu wünschen, dass die Ortsbeiräte in der neuen Legislaturperiode mit ihren Anliegen viel Gehör finden werden und somit deren hohe Anfangs-Motivation möglichst lange erhalten bleibt.

6. Für ca. 100 Kleinkinder, d.h. für vier Kita-Gruppen fehlt immer noch eine Unterbringung. Das zur Förderung beantragte Familienzentrum in der DAG könnte zur Abhilfe beitragen, doch das inhaltliche Konzept hierfür steht noch aus. 

7. Die Absicht, die Nordschule durch eine Sanierung und bauliche Erweiterung in ihrem Bestehen zu stabilisieren, ist löblich. Nur muss das Ganze in die Tat umgesetzt werden. Auf jeden Fall sollen in absehbarer Zeit auch die dritten und vierten Klassen dort unterrichtet werden. 

8. Für das Herrenwaldstadion muss über die Anzahl der Laufbahnen entschieden werden. Eine zusätzliche Förderung für die 6-Bahnen-Lösung ist denkbar; sowohl der heimische Landtagsabgeordnete als auch der hessische Innenstaatssekretär warten hierzu auf eine entsprechende Anfrage der Verwaltung. 

9. Hinsichtlich der Erweiterung des DIZ ist eine Entscheidung zu fällen. Diese hängt in erster Linie ab von der Förderung durch den Bund, aber auch von einem zu erstellenden detaillierten Konzept sowie von der finanziellen Beteiligung des Kreises und des Landes. 

10. Die forcierte Elektromobilität und die beabsichtigte Abkehr von fossilen Brennstoffen verlangen entsprechende Maßnahmen und Investitionen. 

11. Es darf hinsichtlich unserer Finanzen nicht zu sehr von der Substanz gelebt werden. Bis 2020 galt ein ausgeglichener Haushalt als unverzichtbar. Wegen der Pandemie gilt eine Unterdeckung von 1,5 Millionen € im Ergebnishaushalt als verkraftbar und man beruft sich dabei auf Rücklagen in Form von Buchgeld. Auch für die nächsten beiden Jahre ist ein Minus vorgesehen. Sollten sich die wirtschaftlichen Corona-Spätschäden in Grenzen halten, so wird man im Rückblick diese Finanzplanung als richtig und verantwortungsvoll beurteilen. Andernfalls müssen vorgesehene Ausgaben auf den Prüfstand gestellt werden. Grundsätzlich spricht sich die CDU-Fraktion für ein sparsames Wirtschaften aus. Das heißt ausdrücklich nicht, nicht zu investieren. Sondern es bedeutet, dass bei jeder Geldausgabe auf ein vernünftiges Verhältnis von Aufwand und Ertrag geachtet wird.

Diese Überlegungen führen mich zurück zur Ausgangsfragestellung, inwieweit wir unsere Potenziale hinreichend nutzen. Die Grundausrichtung der städtischen Politik stimmt! Diese Auffassung vertritt die CDU-Fraktion nicht nur deshalb, weil sie als jahrzehntelang stärkste und somit stets einflussreiche Fraktion sich anderenfalls selbst ein schlechtes Zeugnis ausstellen würde. Was wir allerdings zu bemängeln haben, ist die bisweilen zu geringe Geschwindigkeit, mit welcher die Maßnahmen umgesetzt werden. Im Rennfahrerjargon bedeutet das: Wir müssen die PS, die unser Fahrzeug hat, auch auf die Straße bringen.

Um abschließend meine Hinführung aufzugreifen, behaupte ich, überzeugend dargelegt zu haben, dass Stadtallendorf mit all dem Erreichten und mit dem vielen Bevorstehenden ein Mittelzentrum erster Klasse darstellt.

Die CDU-Fraktion stimmt dem Produkthaushalt der Stadt Stadtallendorf für das Haushaltsjahr 2021 sowie den Wirtschaftsplänen der beiden Eigenbetriebe zu.


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.